Café mit Klo und ein halber Liter Wein

November 24, 2016

Der nächsten Morgen ging mit einem dicken Schreck für Astrid los. Wir verließen ja heute das schöne Hotel Carlos V. und waren nach dem Frühstück getrennt unterwegs um auszuchecken, das Gepäck zum Bus zu bringen oder noch ein letztes Mal aufs Klo zu gehen. Entgegen ihrer Gewohnheit fuhr Astrid mit dem Aufzug hinunter. Eigentlich meidet sie dieses technische Teufelswerk ansonsten und läuft die Treppen, wann immer es geht. Und genau in dem Moment, als sie Aufzug fährt, fällt der Strom aus, der Aufzug bleibt stecken und es wird dunkel innen drin. Ich hatte davon gar nichts mitbekommen, weil ich schon mit den Koffern am Bus war. Mir fiel einige Minuten später eine sichtlich erleichterte Gattin in die Arme, nachdem sie vom Hotelpersonal befreit worden war. Dabei hatte der Morgen so schön mit dieser Wolkenformation begonnen und dann so ein Erlebnis.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Unser erstes Ziel war heute Bosa, eine Stadt mit ca.8.000 Einwohnern im Westen Sardiniens. Sie liegt etwa zwei Kilometer vom Meer entfernt am Fluss Temo in einem weiten Tal. Bosa gehört zu den „I borghi più belli d’Italia“ (Die schönsten Orte Italiens). Die Altstadt mit ihren Straßenschluchten und hohen Häusern, wird von der Burgruine des „Castello Malaspina“ aus dem 12. Jahrhundert überragt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Mittlerweile war seit der Abfahrt vom Hotel eine gewisse Zeit vergangen; fast jeder musste mal wohin! Alessandra hatte uns schon vorher erklärt, wie das geht. Öffentliche Toiletten sind auf Sardinien nicht häufig anzutreffen und so bleibt nur der Besuch eines Cafés, wenn man nicht hinter irgendwelchen Büschen verschwinden will. Man bestellt sich also einen Kaffee oder Espresso, was bei Preisen um einen Euro wirklich erschwinglich ist, und benutzt dann die Örtlichkeit der Gastronomie. Nicht jeder im Bus hatte leider verstanden, dass es zum guten Ton gehört, eben dieses Getränk auch zu bestellen und nicht einfach hinein und hindurch zu stürmen. Die Busmannschaft schwärmte also aus und fand, was sie suchte und benahm sich so gut, wie sie konnte.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir besuchten danach die Cattedrale dell'Immacolata. Von außen wirkte sie unscheinbar. Hätte uns Alessandra nicht hineingebeten, wären wir bestimmt vorbei gelaufen. Im Inneren entfaltete sie ihre Schönheit mit einem barocken Hochaltar, der von weißen Marmor-Löwen bewacht wird. Die Fresken der Kirche stammen aus der Hand des Künstlers Emilio Scherer (1845-1924), der aus Parma stammte, lange Zeit in Bosa lebte und dessen Werk  zahlreiche Bauten und Monumente an der sardischen Westküste prägt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir verließen danach Bosa, fuhren mit dem Bus los und hielten aber schon kurze Zeit wieder an, weil wir von dem ausgewählten Punkt eine schöne Aussicht hatten. Als wir eine gute Stunde zuvor in die Stadt hineingingen, hatten wir die schöne gestaffelte Lage der Stadt am Hügel gar nicht in vollem Umfang erkennen können, da wir ja zu der Zeit das innere Navigationsgerät auf Café mit angeschlossener Örtlichkeit eingestellt hatten. Jetzt aber zeigte sich Bosa im Sonnenlicht von seiner besten Seite.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir fuhren dann eine Zeitlang über Land, bis Alessandra ganz unvermutet den Bus anhalten und uns aussteigen ließ. Zunächst wussten wir nicht so recht, was wir hier sollten, bis wir die ersten Wandgemälde entdeckten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Seit Ende der 1960er Jahre gibt es in ganz Sardinien zahlreiche Wandgemälde (Murales ) die zunächst den Widerstand gegen Faschismus, Kapitalismus, Krieg, Wettrüsten, Hunger und Apartheid symbolisierten. Später kamen Bilder hinzu, die das einfache bäuerliche Leben beschreiben, so wie hier in Tinnura.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Viele der alten Murales verblassen mittlerweile. Weil das touristische Potential jedoch inzwischen erkannt wurde, sind etliche Gemälde wieder aufgefrischt worden und viele neu entstanden. Mir gefiel besonders dieses Bild, weil der Künstler nicht nur ein Wandbild gemalt hat, sondern vor das Wandbild noch einen Einwohner darstellte, der sich erst auf den zweiten Blick als Teil des Kunstwerkes herausstellt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Es war gar nicht so einfach alle Mitreisenden wieder einzufangen, nachdem sich herausgestellt hatte, welches Kleinod dieser Ort an seinen Häuserwänden barg. Schließlich ergab aber die Zählung im Bus: Vollzählig!

Unser nächster Programmpunkt war eher profan. Wir waren bis Tharros gekommen und wurden zur Mittagspause freigelassen, die wir in einem der zahlreichen Lokale verbrachten, die auf dem ca. einen Kilometer langen Weg zur Ausgrabung zu finden waren. „Il mezzo litro di Vino bianco della casa“, war auch wieder mit dabei, denn in diesem Lokal lernte ich, wie ich richtig einen halben Liter Wein bestelle, anstatt mit den Händen herumzufuchteln und Größenangaben anzuzeigen. Die Wasserflasche hatte drei halbe Liter und brachte uns beim späteren Besuch der Ausgrabung ein wenig in Verdrückung, als zwei der drei halben Liter wieder hinaus wollten.

Tharros ist eine antike Stadt an der Westküste Sardiniens, von der heute nur noch Ruinen erhalten sind. Die ältesten Funde in Tharros lassen auf eine Besiedlung im 13. und 12. Jahrhundert vor Christus schließen. Ab dem 8. Jahrhundert vor Christus muss Tharros eine phönizische Handelsniederlassung gewesen sein

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die Römer besiegten 215 v. Chr. die Punier und passten kurz darauf die Stadt ihren Bedürfnissen an. Unter anderem wurden breite Straßen angelegt, die mit schwarzen Basaltplatten belegt wurden; hinzu kamen Wasserleitungen und ein Abwasserkanal unter der Straße.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Auf dem Rückweg zum Bus kamen wir wieder an der frühmittelalterlich byzantinischen Kirche San Giovanni di Sinis vorbei und hatten - im Gegensatz zum Hinweg - etwas Zeit sie uns anzusehen. Die Kirche ist kirchengeschichtlich interessant, weil sie eine der ältesten byzantinischen Kirchen auf Sardinien ist. Die heutige dreischiffige Kirche ist das Ergebnis einer späteren Abwandlung einer kreuzförmigen byzantinischen Kirche des 6. oder 7. Jahrhunderts, die in römischer Quaderbauweise errichtet wurde.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die kleine Kirche war mit der Busladung sofort überfüllt und ich wartete deshalb geduldig, bis alle wieder draußen waren, um einen Moment der Ruhe in der Kirche zu erleben und ein paar Bilder zu machen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Mehr Bilder gibt es hier:


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