Von Sakralbauten und Bernstein am Stiel

October 21, 2019

Unser erster Morgen in Litauen begann mit einer Besichtigung von St. Kasimir. Die Kasimir-Kirche ist eine der bedeutendsten Kirchen der Stadt Vilnius. Sie ist der erste Vertreter des Barocks in der litauischen Hauptstadt, der mit den Jesuiten in den fernen Nordosten Europas kam. Namenspatron der Kirche ist der heilige Kasimir, der Schutzpatron Litauens.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Heute Morgen war unser Zeitplan entspannt, also gingen wir in aller Ruhe durch das Gotteshaus. Die Bauzeit der Kasimir-Kirche war 1604–09. Die endgültige Fertigstellung im Inneren erfolgte 1615. Wie viele Kirchen der Jesuiten war auch die Kasimir-Kirche der ersten Kirche der Jesuiten, Il Gesù in Rom nachempfunden. Typisch für die frühbarocke Kirche ist die Verbindung von Zentralraum- und Langhausarchitektur mit einer großen, Licht spendenden Kuppel und einem breiten einschiffigen Langhaus.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Der Tourplan sah heute Vormittag einen Stadt Rundgang vor und so schlenderten wir bei bestem Wetter durch Litauens Hauptstadt. Vilnius ist mit ca. 575.000 Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt des Landes und mit ca. 40 km² flächenmäßig die größte Stadt des Baltikums.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Vilnius war von Anfang an eine baltische Gründung und wurde im Gegensatz zu den Hauptstädten der baltischen Nachbarländer, Riga in Lettland und Tallinn in Estland, nie vom Deutschen Orden kontrolliert. Sie entwickelte sich als Hauptstadt Litauens zum Zentrum eines ausgedehnten Großreiches, das auf dem Höhepunkt seiner Macht um 1618 als Polen-Litauen zeitweise von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte. Wir erreichten bei unserem Stadtrundgang die schmalen Gassen der Altstadt, die mit Ballonen hübsch geschmückt waren.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Vilnius galt seit seiner Gründung als eine der liberalsten Städte Europas, die im Lauf ihrer Geschichte u. a. den verfolgten Juden aus Mitteleuropa und Russland Schutz bot. Als „Jerusalem des Nordens“ wurde Vilnius zum Zentrum der jüdischen Kultur und Aufklärung. Infolge des Zweiten Weltkrieges verlor die Stadt die Mehrheit ihrer Bewohner (Polen wurden vertrieben und Juden flüchteten oder wurden im Holocaust ermordet) und wurde danach von Litauern und Russen praktisch neu besiedelt. Damit hat sich die soziale Struktur von Vilnius völlig verändert. Nach soviel Geschichte brauche ich erst einmal eine kurze Pause.

Unser nächstes Ziel war die Kathedrale St. Stanislaus; die römisch-katholische Kathedrale des Erzbistums Vilnius. Die Basilika geht in ihrer heutigen Gestalt auf einen Entwurf im klassizistischen Stil von Laurynas Gucevičius zurück und wurde 1801 fertiggestellt. Ihr Glockenturm steht wie bei vielen Kirchen im Baltikum separat.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die klassizistische Prägung wird auch im Kircheninneren durchgezogen. Die auf die gotische dreischiffige Hallenkirche aus dem 15. Jahrhundert zurückgehenden Pfeiler wurden ebenso wie die Gewölbe mit klassischen Elementen versehen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Der freistehende Glockenturm war ursprünglich ein runder Verteidigungsturm der Unteren Burg aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Die Schussluken an der Außenseite sind bis heute sichtbar. Seine Fundamente stehen mittlerweile 1,2 Meter tief im Erdboden. Es wird angenommen, dass er bereits im 15. Jahrhundert als Glockenturm diente und um ein achteckiges Geschoss im gotischen Stil erhöht wurde. Aufgrund seines Alters und des weichen Untergrunds steht der Turm mittlerweile leicht schief. Heute hat er eine Höhe von 52 m (57 m mit Kreuz).

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Hier endete gegen 12:30 unsere gemeinsame Stadt Führung und wir konnten alleine durch Vilnius laufen. Astrid wollte gerne zur St. Anna Kirche, an der wir heute morgen mit dem Bus vorbeigefahren waren ohne hineinzugehen. Es waren nur ca. 10 Minuten zu Fuß, bis wir sie erreicht hatten. Auf dem folgenden Bild ist links die St. Anna Kirche und rechts die Bernhardiner Kirche zu sehen und ganz rechts der neugotische Glockenturm.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die Kirche ist ein seltenes Beispiel der Gotik in Litauen, hier sogar im Stil der „flammenden“ Gotik. Bis auf mehrere Renovierungen blieb die Gestalt der roten Backsteinkirche seit dem 15. Jahrhundert praktisch unverändert. Die Baudaten sind nicht genau bekannt, konnten jedoch in die Zeit zwischen 1495 und 1500 datiert werden. Der Außenbau besteht aus 33 verschiedenen Backsteinarten und gilt als das Meisterwerk der litauischen Gotik.Während das Äußere sehr ausdrucksstark ist, zeigt sich der Innenraum einfacher. Grund für das schmucklose Innenleben der Kirche sind Plünderungen und Verwüstungen während der napoleonischen Zeit. Der recht schlichte, einschiffige Innenraum ist mit barocken Seitenaltären geschmückt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir verließen St. Annen und gingen direkt nebenan in die Bernhardinerkirche hinein. Sie wurde im 16. Jahrhundert im gotischen Stil des Danziger Baumeisters Michael Enkinger erbaut. Der vollständige Name der Kirche lautet „Kirche des Hl. Franziskus und Hl. Bernhardin“. In der Sowjetzeit war die Bernhardinerkirche geschlossen und diente als Lagerhaus. Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit Litauens kehrten die Franziskanermönche, die bis dahin im Untergrund tätig waren, in die Kirche zurück. Die Holzaltäre und die Bänke im Innern fand ich beeindruckend.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir verließen das Kirchen-Ensemble und liefen auf der Suche nach einem Ort für unsere Mittagspause durch das nahegelegene Künstlervierte, fanden aber nichts Gastronomisches, was uns zusagte. Allerdings hatten wir jetzt natürlich die Zeit in die vielen kleinen Gassen hineinzusehen und so manche Entdeckung zu machen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Schließlich fanden wir das Café` wieder, das uns Grazina bei unserer gemeinsamen Tour empfohlen hatten und setzten uns hinein zu einer Mittagspause. Danach waren wir wieder unternehmungslustig und wollten den Gediminas-Turm auf dem Burgberg besteigen, oder zumindest den Burgberg an sich. So sieht der Burgberg von unten aus.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir fanden nur den Einstieg nicht. Überall waren Bauarbeiten und Zäune, die den Einlass versperrten. Erst als wir den Burgberg nahezu umrundet hatten, fanden wir einen Aufgang.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Der Aufstieg war steil, der Gediminas-Turm steht auf 142 Metern Höhe.  Der Turm ist der einzige Eckturm der Burganlage, der heute noch erhalten ist. Die Burganlage wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts vom Großfürsten Gedeminas errichtet. Der Turm beherbergt heute das Obere Burgmuseum, in dem unter anderem Waffen und Rüstungen aus unterschiedlichen Epochen ausgestellt sind. Als wir endlich oben waren, wollte man dort noch einen üppigen Eintrit, um in den Turm zu gelangen. Wir überlegten kurz und genossen dann nur die (vollkommen kostenlose) Aussicht von unterhalb des Turmes aus.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Gegen drei war der Blitzbus wieder an der Kathedrale, um diejenigen einzusammeln, die ins Hotel wollten. Wir nahmen das Angebot dankbar an und ließen uns mitnehmen. Am nächsten Tag verließen wir Vilnius und fuhren als erstes nach Trakai, der alten Hauptstadt des litauischen Reiches. Unser Ziel war die Wasserburg.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die Burg befindet sich auf einer Insel zwischen dem Galvė See, dem Lukos oder Bernardinų See und dem Totoriškių See und liegt nördlich der heutigen Stadt Trakai. Eine Brücke führt vom Ufer zum Torhaus, welches in die äußere Befestigungsmauer mit Wehrgängen und drei wuchtigen runden Ecktürmen eingebaut ist. Grazina hatte es so geschickt eingerichtet, dass wir knapp vor der Öffnung der Burg dort eintrafen. So mussten wir nicht lange warten, waren aber trotzdem die ersten, die hineingelassen wurden.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Erbaut wurde eine erste Burg in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter Fürst Kęstutis. 1377 wurde sie von den Kreuzrittern des Deutschen Orden angegriffen. Zu den Eigentümern der Burg gehörte der Fürst Gediminas (der dem Turm in Vilnius seinen Namen gab). Er nutzte die Burg in Trakai zeitweise als Residenz, bevor er die neue Hauptstadt Vilnius gründete. Die Burg wurde zum Schauplatz des Konfliktes zwischen Fürst Vytautas und Władysław II. Jagiełło um den Titel des Großherzogs von Litauen. Vytautas siedelte 1397 neben Tataren auch Karaimen als Leibwache im Ort an. Nach der Schlacht bei Tannenberg von 1410 verlor die Burg an militärischer Bedeutung.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die Burg wurde seit Beginn des 20. Jahrhunderts in den verfallenen Teilen wiederaufgebaut und restauriert. Selbst in der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden die Restaurationsarbeiten eingeschränkt fortgesetzt. Die symmetrisch angelegten Hauptgebäude mit dem Donjon in ihrer Mitte liegen auf einem erhöhten Plateau und sind über eine Brücke zugänglich. Dieses Plateau ist durch eine weitere Befestigungsmauer geschützt. Der zwingerartige Zwischenbereich war früher aufgrund eines höheren Wasserstandes mit Wasser gefüllt. Vom Innenhof sind über Holztreppen und Außengänge die Räume bis in das zweite Stockwerk erreichbar.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Die ganze Busladung hatte nun das Innere erreicht und verteilte sich in den Räumen und auf den Treppen. Wir fanden beides nicht beglückend. Astrid wurde es in den engen Räumen mulmig, wenn immer mehr Menschen hineindrängten; mir waren die offenen Treppen und Gänge unheimlich, die laut knarrten und erkennbar schwankten, wenn 20 Menschen als Lindwurm entlang oder hinaufwollten. Wir verabschiedeten uns deshalb aus dem Inneren und begannen einen entspannten Bummel um die äußere Befestigungsmauer.

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Kurz darauf sammelten wir uns aber auch schon wieder am Bus und fuhren weiter nach Kaunas. Die Stadt ist mit circa 300.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Litauens, das Zentrum des Regierungsbezirks Kaunas und der Stadtgemeinde Kaunas. Vom Busparkplatz gingen wir mit der Reisegruppe in Richtung der Innenstadt und kamen an der Ruine der alten Burg Kaunas vorbei.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Erstmals wurde 1361 eine litauische Burg an der Mündung der Neris in die Memel erwähnt. Diese Burg wurde wiederholt von Rittern des Deutschen Ordens erobert bzw. zerstört, aber stets von den Litauern unverzüglich wiederaufgebaut. Hauptgrund für die Litauerkriege des Deutschen Ordens und seine Angriffe auf Kaunas war der Versuch des Ordens, seine Territorien in Ostpreußen und in Livland miteinander zu verbinden, um so einen einheitlichen und kompakten Herrschaftsbereich von Estland über Livland bis nach Ostpreußen zu errichten.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir kamen am historischen Rathausplatz an und hatten einen schönen Blick auf das bekannte weiße Rathaus der Stadt. Es sieht aus wie eine Kirche mit seinem Turm, hat jedoch säkulare Aufgaben. Der Rathausturm ist 53 Meter hoch. Das Rathaus wird wegen seiner hohen, weißen Gestalt umgangssprachlich „Weißer Schwan“ genannt und heute ausschließlich als Standesamt genutzt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir schlenderten weiter durch die Innenstadt und standen bald vor der Kathedrale von St. Peter und Paul. Die Stadt- und Marktkirche am Rathausplatz mit dem Patrozinium Peter und Paul wurde um 1410 im gotischen Stil begonnen und im Lauf der Jahrhunderte nach Krieg- und Brandschäden mehrfach verändert.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Das Innere der Kathedrale zeigt sich im Gewand des Früh- und Hochbarock. Ihre wertvolle Ausstattung spiegelt den Wohlstand der Handelsstadt zur damaligen Zeit. Die Säulen, Wandflächen und Gewölbe sind teils pastellfarben marmoriert, teils mit Ornamenten und Bildmedaillons geschmückt; diese Bemalung wurde Ende des 19. Jahrhunderts im neobarocken Stil geschaffen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Der Hochaltar mit den Skulpturen des Gekreuzigten und der trauernden Maria Magdalena wird bekrönt von der Figur des Auferstandenen, kniend angebetet von den Aposteln Petrus und Paulus und umgeben von den Evangelistensymbolen. Er wurde 1775 geweiht und steht im Zentrum einer aufwendigen barocken Säulenarchitektur mit weiteren acht expressiven Heiligenstatuen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Danach war es Mittagszeit und wir fanden ein kleines Lokal mit Außengastronomie. Das Essen war gut, offenen Wein gab es auch zum Essen und getrunken wurde aus schweren Kristallgläsern.

Wir fuhren danach weiter nach Klaipeda (dem früheren Memel), wo wir die vorletzte Nacht auf dieser Reise verbringen sollten. Am nächsten Morgen setzten wir mit der Fähre auf die Kurische Nehrung über, eine 98 km lange Halbinsel an der Nordküste des Samlands. Sie beginnt in Lesnoi und endet am Memeler Tief. Seit 1945 gehören die nördlichen 52 km zu Litauen und die südlichen 46 km zur russischen Oblast Kaliningrad. Unser erster Halt war an einem Waldstück, in dem Kormorane brüten und so dafür gesorgt haben, dass ein Teil des Baumbestandes abgestorben ist.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir fuhren kurz darauf weiter wurden aus dem Busgewahr entlassen und liefen die Küste hinauf und hatten einen guten Blick über die Sanddünen ins kurische Haff hinein. Vom kurischen Haff und der kurischen Nehrung hatten mir meine Großeltern immer erzählt, die bis 1947 - nur wenige Kilometer entfernt - in Königsberg gelebt haben.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Wir gehen weiter und plötzlich steht dort dieser alte Mann und spielt auf seiner Geige. Einfach so. Er sammelte kein Geld, er hatte es nicht so arrangiert, dass Zuhörer um ihn herumstanden, sondern er spielte nur für sich. Ich habe ihn nicht gestört, sondern nur aus einer gewissen Entfernung zugehört und gefilmt. Anrührend. Klick für Film ab:

In Nida sind wir dann Essen gegangen und sammelten uns ein wenig später an einem Schiff, mit dem wir eine Stunde lang das Haff befuhren. Zu sehen gab es außer der Dünenlandschaft nicht viel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Ein wenig später gingen wir noch am Strand entlang und versuchten unser Glück als Bernsteinsucher. Ich fand tatsächlich ein winziges Stück Bernstein, in etwa so groß wie ein halbes Reiskorn.  Astrid hatte mehr Glück und fand ein wirklich großes Stück Bernstein am Stiel.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA Bald danach bestiegen wir die Fähre nach Kiel und unser Urlaub ging zu Ende.

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